sKästle

s’Kästle vom Kästle – Wie sich der Kreis schließt…

Eine Reportage von Raphael Voller

Eingang zum Jugendtreff s'Kästle

Kaiser-Franz-Joseph-Straße 61, Wirtschaftspark Kästle Areal, an einem Mittwoch Nachmittag, um halb fünf in Hohenems. Der erste schöne, warme Tag im Jahr 2010. Langsam, aber sicher, stellen sich Frühlingsgefühle ein. Ich bin zu Besuch bei der Offenen Jugendarbeit Hohenems, kurz OJAH. In der Mitte des Areals steht noch der riesige Schornstein mit dem Kästle Schriftzug, wie ein mahnender Zeigefinger. Rund um befinden sich die ehemaligen Produktionshallen, mit dem klassischen „Zickzack-Industriehallendach. Eine Gruppe Jugendliche steht im Kreis und sie rappen vor sich hin: Begrüßungskomitee. Hinter ihnen befindet sich der Eingang zum Hohenemser Jugendtreff s’Kästle. Drinnen herrscht reger Betrieb. Es läuft, wie zu erwarten, Hip Hop Musik, „aber nicht nur! Wir gehen auf alle Wünsche und Geschmäcker unserer Jugendlichen ein. Hier machen die Jungen das Programm und wir bieten ihnen lediglich die Rahmenbedingungen.“ Jugendarbeiterin Judith Bildstein ist immer wieder überrascht, wie schnell sich die Vorlieben der Teenager ändern. „letztes Jahr wollten sie tanzen, im Jahr davor hatten wir einen Theaterkurs“, gibt sie einen Einblick und wird so gleich ergänzt „an Selbstverteidigungs-Kurs homma o ka!“ , „Jo und Fuassballa toa ma sowieso“. Auch Konzerte mit regionalen Bands und Musikern werden hier veranstaltet. Daran wurde schon bei der Planung des Treffs gedacht. Eine Trennwand verschwindet und dahinter kommt eine etwa Knie hohe Bühne zum Vorschein. Am vergangenen Wochenende war es mal wieder soweit: Hip Hop Konzert im Hohenemser Jugendtreff s’Kästle.

Lokale Vorgruppe beim Beatbangers Konzert

Einer von zwölf von der Stadt Hohenems genehmigten Veranstaltungsabenden war für die Bludenzer Band „Beatbangers“ reserviert. Das Ereignis beginnt mit einem lauten: „was geht ab?!?“ Und schon wird im Rhythmus der Musik mit dem Kopf genickt. Eine gute Stunde dauerte die Vorstellung der jungen Hip Hop Crew, was bei einem Eintrittspreis von 3 Euro ein absolutes Schnäppchen ist. Auch eine Vorgruppe, die Sanchez Brothers, zeigte ihr Können und verweisen dabei auf die Möglichkeiten, die ihnen das zum Jugendtreff gehörende Tonstudio bieten. Unter der erfahrenen Leitung von OJAH Mitarbeiter Kiyoshi Kubo können begeisterte Nachwuchstalente ihrer musikalischen Leidenschaft nachgehen und sogar eigene Alben produzieren, wie zum Beispiel die Sanchez Brothers.

Für viele junge Hohenemser ist diese Einrichtung zu einem zweiten Zuhause geworden. „I wüßt net wo i sus ahe goh söt. S’Käschtle isch wia a Wohnzimma füa mi“, gibt einer der Jugendlichen mit migrations Hintergrund die allgemeine Stimmung im breiten Vorarlberger Slang wieder. Die Kids sind zwischen 12 bis 18 Jahre alt und kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Der Schulabbrecher spielt in einer Band mit dem Gymnasiasten, genauso wie sich die Tochter eines Arztes Schmink-Tipps von der Tochter seiner Raumkosmetikerin holt. Aber für Jugendliche mit Türkischer Abstammung hat das Kästle Areal noch eine tiefere Bedeutung, denn von einigen haben die Großväter für Kästle Ski gearbeitet. „Kästle hatte in den 1960er Jahren einen Gastarbeiteranteil von über 50%“, weiß der ehemalige Mitarbeiter von Kästle und heutiger Verwalter des Wirtschaftspark Horst Wehinger. Die Arbeiter in der Skifabrik halfen Anton Kästle Junior „den besten Ski der Welt bauen“, wie er sein Vorhaben selbst formulierte. Dieses Ziel hat er wohl erreicht, was 130 Medaillen beweisen. Die besten Skifahrer des letzten Jahrtausends fuhren auf Kästle Skiern durchs Ziel. Zu diesen Größen zählen Toni Sailer, Pepi Stiegler, Josl Rieder und Roger Staub, um nur einpaar der Vorreiter zu nennen.

Kästle Fabrik in den 1950er Jahren

Kästle Fabrik in den 1950er Jahren mit Shed-Dach im Vordergrund

Doch die Erfolgsgeschichte des Vorarlberger Kult Skis nahm 1993 ein jähes Ende. Die Ski Produktion wurde von Benetton übernommen und ist damals mit zehn Mitarbeitern und allen Maschinen in den Norden Italiens übersiedelte. Das ehemalige Produktionsgelände behielt jedoch seinen Namen und wurde 1998 zum Wirtschaftspark Kästle Areal. Heute haben sich etwa 20 Firmen mit insgesamt über 120 Beschäftigten hier niedergelassen, darunter auch wieder ein heimischer Ski Hersteller. Die Skier von Differences können vom Kunden nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden und haben genauso Kult-Potential wie es die Ski von Kästle erreicht haben. „Bei Differences ist der Name Programm.“ Erklärt Rainer Nachbaur, einer der zehn Kästle Mitarbeiter die nach Italien gingen und jetziger Chef von Differences Ski und verdeutlicht, „jeder Kunde ist ganz persönlich eingeladen Hand bei der Produktion des zukünftigen Skis anzulegen. Diese Gelegenheit ist weltweit einzigartig.“

Des Weiteren nutzt auch die Arbeitsintegrationsgesellschaft gem. GmbH den Standort um etwa 40 Tischlerlehrlinge auszubilden. Auch Jugendliche vom benachbarten Treff machen bzw. machten hier ihre Ausbildung und so schließt sich der Kreis um Firmengründer Anton Kästle Junior nach über 90 Jahren wieder, aber die Erfolgsgeschichte geht weiter.


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Ein Kommentar bis “sKästle”

  1. Clemens sagt:

    Meiner Meinung nach ist das Jugendhaus am falschen Platz. Man hätte irgendwo im Herrenried einen Platz dafür suchen müssen. Dort muss man jetzt wieder die Container aufstellen. (Jugendplatz Fair Future). Aber jetzt ist es ohnehin zu spät.